Vom Denken ins Tun – Lernen an realen Herausforderungen

In der Hochschullehre geht es nicht nur um die Vermittlung von Wissen, sondern ebenso um die gezielte Förderung von Kompetenzen, die Studierende für die komplexen Herausforderungen der Zukunft benötigen. Die Lehrmethoden von Problem Based Learning, Project Based Learning und Challenge Based Learning spielen hier eine wichtige Rolle: Sie ermöglichen die Arbeit an realen Herausforderungen und Kooperationen mit Institutionen aus der Praxis. Erfahren Sie in diesem Artikel mehr über diese Konzepte und wie sie praktisch anwendbar sind.
Lernen wird dann richtig lebendig, wenn es mit der Realität verknüpft ist – genau das gelingt mit Ansätzen wie Problem Based Learning, Project Based Learning und Challenge Based Learning. Beim Problem Based Learning tauchen die Lernenden in realitätsnahe Situationen ein und entwickeln eigenständig Lösungen für komplexe Fragestellungen. Project Based Learning geht noch einen Schritt weiter, indem nicht nur ein Problem gelöst, sondern ein konkretes Projekt verwirklicht wird – mit einem echten Endprodukt, etwa einem funktionalen Prototypen. Noch spannender wird es beim Challenge Based Learning. Hier stehen große, oft gesellschaftlich relevante Herausforderungen im Mittelpunkt. Studierende arbeiten dabei häufig Hand in Hand mit Partnern aus der Industrie, die reale Probleme einbringen – mit der Erwartung, am Ende greifbare, innovative Lösungen zu erhalten. Es könnte hierbei beispielsweise darum gehen, durch Technologieeinsatz den CO₂-Ausstoß des Unternehmens zu verringern und dafür einen realistischen Aktionsplan zu entwickeln.
„Das besondere an diesen Lehrmethoden ist, dass ein Transfer stattfindet vom theoretisch gelernten Stoff auf die reale Praxis,“ erklärt Sofia Vio, die sich bei ProLehre mit Problem-, Project- und Challenge Based Learning beschäftigt. Gerade weil diese Projekte oft komplex und vielschichtig sind, bringen sie Menschen aus unterschiedlichsten Disziplinen zusammen. Studierende entwickeln sich dabei nicht nur fachlich weiter, sondern wachsen auch persönlich – denn wer interdisziplinär arbeitet, muss lernen, mit anderen Denk- und Arbeitsweisen umzugehen, zu kommunizieren und gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Besonders motivierend: Am Ende halten die Teams meist ein greifbares Ergebnis in den Händen. Ein weiterer Vorteil ist, dass bei enger Zusammenarbeit mit Unternehmen wertvolle Kontakte entstehen können – ein Karrierenetzwerk, das beim Berufseinstieg zum Türöffner werden kann.
Doch was ist eigentlich mit den Dozierenden, werden sie dann überhaupt noch gebaucht? Sofia Vio erläutert, dass „Lehrende die Rolle von Mentor:innen einnehmen, die im Prozess unterstützen und Feedback geben, sich aber nicht zu stark einbringen sollten.“ Während beim Problem Based Learning zwar meist die Lehrperson die Aufgabenstellung vorgibt und die Studierenden stärker begleitet, verlagert sich beim Project Based- und insbesondere beim Challenge Based Learning die Verantwortung immer mehr auf die Lernenden und beteiligte Praxispartner. Aber auch hier spielt die Lehrperson eine wichtige Rolle, denn diese außeruniversitären Kooperationen können überhaupt erst dann entstehen, wenn Lehrende gute Kontakte in die Industrie pflegen und offen gegenüber entsprechender Zusammenarbeit sind. Zudem unterstützen Lehrpersonen ihre Studierenden in der Interaktion mit dem Praxispartner.
Herausfordernd kann in diesem Kontext allerdings die Benotung werden: Wen sollen die Studierenden mit ihrer Arbeit überzeugen, Partner:innen aus der Industrie oder die Lehrperson? Wer gibt die Note und was soll überhaupt bewertet werden: nur das Endprodukt oder auch der Weg dorthin? „Klare Absprachen zwischen allen Beteiligten schaffen hier Transparenz“, betont Sofia Vio und ergänzt: „Durch standardisierte Bewertungsraster lassen sich Leistungen fair und vergleichbar beurteilen.“
Klar ist auch, dass insbesondere Project- und Challenge Based Learning zeitintensiver sind als das klassische Seminar, bei dem jedes Semester der gleiche Seminarplan hervorgeholt werden kann. Die Konzepte eignen sich daher eher für kleinere Kohorten an Studierenden. Diese sollten bestenfalls auch schon erste Erfahrungen in Projektarbeit gesammelt haben und wissen, wie sie Deadlines einhalten und in interdisziplinären Gruppen kommunizieren. Oft kommen diese Lehrformate deshalb am Ende des Bachelors oder im Master zum Einsatz.
Doch wie ist es überhaupt zu schaffen, solche Lehrkonzepte in den Unialltag zu integrieren, wo Zeit knapp ist, Prüfungen regieren und Lehrpläne voll sind? Sofia Vio weiß Rat: „Man muss nicht gleich das ganze Modul umkrempeln, sondern kann kurze, problemorientierte Aufgaben oder Mini-Challenges in einzelne Sitzungen oder als Zwischenaufgabe integrieren.“ Zudem können auch die an der TUM verankerten Projektwochen für diese Lehrformate genutzt werden. Diese bieten einen Rahmen, in dem Studierende und Lehrende über Disziplinen, Curricula und Standorte hinweg an innovativen Lösungen für aktuelle Probleme arbeiten können.
Wenn Sie noch mehr über projektbasiertes Lernen, vor allem im Rahmen von Projektwochen, erfahren wollen, empfehlen wir Ihnen den Artikel unseres Abteilungsleiters Andreas Fleischmann, der gerade im Neuen Handbuch Hochschullehre erschienen ist. Sie finden ihn hier: https://www-nhhl-bibliothek-de.eaccess.tum.edu/api-v1/article/!/action/getPdfOfArticle/articleID/3972/productID/10/filename/article-id-3972.pdf