Gutachten

Kurz-Gutachten zum Einsatz einer zweiten Kamera in der Videoaufsicht

Im Rahmen der Durchführung von elektronischen Fernprüfungen kam an bayerischen Hochschulen die Frage auf, ob bei solchen elektronischen Fernprüfungen i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 2 BayFEV bei der Videoaufsicht zwei Kameras eingesetzt werden können. Der Einsatz einer einzelnen Kamera wird von Lehrenden teilweise für die Unterbindung und Erkennung von Täuschungshandlungen bei der Prüfung als nicht ausreichend angesehen, sodass sich die Frage stellt, ob eine weitere Kamera neben der Kamera der zur Prüfung eingesetzten Kommunikationseinrichtung (in der Regel des Laptops oder PCs der Studierenden) gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 BayFEV eingesetzt werden kann, um eine umfassendere Prüfungsaufsicht zu erreichen. Dabei sind unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten für die zweite Kamera denkbar: Die Kamera könnte z.B. so aufgestellt werden, dass der Arbeitsplatz der Studierenden von einem weiteren Blickwinkel ins Bild genommen wird, um überprüfen zu können, ob während der Prüfung unerlaubte Hilfsmittel eingesetzt werden. Eine weitere Einsatzmöglichkeit könnte bei praktischen Prüfungen gegeben sein, in denen eine zweite Kamera einen zweiten Blickwinkel auf das Prüfungsgeschehen (etwa bei praktischen Laborprüfungen) gewähren soll.

Kurz-Gutachten „Ist bei elektronischen Fernprüfungen der Einsatz einer zweiten Kamera zur Videobeaufsichtigung zulässig?“ | Deutsch: Version 1.0, Stand: 07.07.2021

Kurz-Gutachten zur Nutzung von KI für den Abgleich des Verhaltens von Prüfungsteilnehmenden mit einem Standardverhalten zum Zwecke einer automatisierten Prüfungsaussicht

Im Rahmen der (in engen Grenzen) zulässigen automatisierten Aufsicht von elektronischen Fernprüfungen kommt sog. Proctoring-Software zum Einsatz. Im Wesentlichen verfolgen die am Markt verfügbaren Lösungen zwei Ziele: Einerseits soll mittels des Einsatzes von Kamera und Mikrofon eine Prüfungsaufsicht sichergestellt werden, andererseits soll durch weitere Funktionen verhindert werden, dass die Prüfungsteilnehmenden während der Prüfung auf unzulässige Hilfsmittel zugreifen (z.B. durch Lockdown-Browser, Löschung der Zwischenablage oder Erzwingen des Vollbildmodus). Wie Täuschungshandlungen dabei verhindert und aufgedeckt werden können und wie der Einsatz somit rechtlich zu beurteilen ist, unterscheidet sich von Anbieter zu Anbieter.

Im Folgenden soll die Rechtmäßigkeit der unter KI-Einsatz erfolgten Ermittlung von „Abweichungen vom Standardverhalten“ durch die Prüfungssoftware untersucht werden. Als „Verhalten“ wird hierbei die Gesamtheit der menschlichen Bewegungen, Lautäußerungen und Körperhaltungen verstanden.

Dazu bedarf die Proctoring-Software während der zu beaufsichtigenden Prüfung in der Regel Zugriff auf die Kamera und das Mikrofon der zur Prüfung eingesetzten elektronischen Kommunikationseinrichtung. Gegebenenfalls wird auch auf weitere Hardware-Komponenten zugegriffen, z.B. auf die Tastatur oder die Maus zur Überprüfung des Tastatur-Anschlags bzw. Cursor-Verhaltens.

In der hier untersuchten Konstellation beinhaltet die eingesetzte Software bereits ein zuvor „antrainiertes“ Standardverhalten, es findet keine (rechtlich kritischer zu bewertende) Auswertung der Verhaltensmuster zur Ermittlung des Standardverhaltens innerhalb der Prüfungskohorte der Studierenden während der Prüfung statt.

Unter anderem können dafür die Blickrichtung, das Bewegungsverhalten oder Gesichtsregungen relevante Parameter sein. Es lässt sich jedoch nicht abschließend aufzählen, welche Parameter zugrunde gelegt werden, da zur Verhaltenserfassung Software-Komponenten genutzt werden, die durch Prozesse maschinellen Lernens bis zu einem gewissen Grad selbstständig Verhaltensweisen deuten, entsprechende Parameter eigenständig gewichten und im Hinblick auf verdächtiges Betragen interpretieren. Erschwerend kommt hinzu, dass die für die Funktion der Software immanenten Algorithmen als private Entwicklungen Geschäftsgeheimnisse darstellen. 

Die erfassten Verhaltensweisen der Prüfungsteilnehmenden werden dann mit dem zugrunde gelegten Standardverhalten abgeglichen. Durch den Abgleich des ermittelten Verhaltens des jeweils betroffenen Prüfungsteilnehmenden mit dem zugrunde gelegten Standardverhalten kann die Software schließlich bewerten, wie weit die beaufsichtigte Person vom Standardverhalten abweicht und ob diese Abweichung eine Täuschung indiziert. Dieser durch die Software ermittelte Wert wird anschließend angezeigt und soll als Grundlage für die Bewertung durch das Aufsichtspersonal dienen.

Kurzgutachten: "Darf zum Zwecke der automatisierten Prüfungsaufsicht bei elektronischen Fernprüfungen eine Software eingesetzt werden, die unter Nutzung von KI das Verhalten der Prüfungsteilnehmenden mit einem Standardverhalten abgleicht?"
Deutsch: Version 2.0, Stand: 22.12.2021