Gesichter aus der Barer Straße

Bei ProLehre arbeiten Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen zusammen. So haben beispielsweise unsere beiden Mitarbeiterinnen Leah Sharp und Hannah Chan den Sprung über den Atlantik gewagt und sind von Kalifornien bzw. Kanada nach Deutschland gekommen. Wir haben sie gefragt, wie es sich für sie angefühlt hat, ihr Heimatland zurückzulassen und weit weg von zuhause ein neues Leben zu beginnen.

Deutschland, die USA und Kanada: drei Staaten des westlichen Kulturkreises. Hier kulturelle Unterschiede auszumachen, fällt auf den ersten Blick gar nicht so leicht - sollte man meinen. Auch Leah Sharp berichtet, dass sie mit einigen kulturellen Unterschieden vor ihrem Umzug nach Deutschland nicht gerechnet hatte und nennt ein praktisches Beispiel: „In Kalifornien verbringt man die Mittagspause für gewöhnlich am eigenen Schreibtisch, schreibt nebenher E-Mails und sitzt eher selten mit den Kolleg:innen zusammen, um kurz von der Arbeit abzuschalten, wie es hier in Deutschland üblich ist.“ Ein zwar subtiler, aber doch deutlicher Hinweis auf eine andere Arbeitskultur? Definitiv, wenn man den weiteren Berichten der beiden Nordamerikanerinnen lauscht. Denn auch Hannah Chan berichtet, dass es zur Arbeitskultur in ihrem Heimatland Kanada gehört, auch außerhalb der Bürozeiten erreichbar zu sein: „In meinen deutschen Jobs bedeutete ‚Feierabend‘ auch wirklich ‚Feierabend‘ – niemand hat erwartet, dass man danach noch erreichbar ist.“ Leah weist an dieser Stelle auch auf die sehr geringe Anzahl an Urlaubstagen hin, auf die man in den USA ein Anrecht hat – ähnlich wenige Urlaubstage bekommt man in Kanada. Die beiden Mitarbeiterinnen schätzen die positiven Auswirkungen auf das mentale Wohlbefinden, die mit der Abgrenzung von Arbeit zu Freizeit einhergehen und durch weitere, typisch deutsche Faktoren wie das flexible Einteilen der Arbeitszeit begünstigt werden.

In manch anderem Aspekt hingegen ist man in der deutschen Arbeitswelt weniger weit als im nordamerikanischen Raum: Hannah und Leah berichten beide, dass sowohl in Kanada als auch in den USA, beides klassische Einwanderungsländer, mehr Bewusstsein für Themen wie Inklusion und Diversität herrscht. Insbesondere im universitären Kontext, in dem beide dort gearbeitet haben, arbeiten Menschen mit diverseren Hintergründen – sei es in Bezug auf ihre Herkunft, das Geschlecht, oder ihre Sexualität – als das klassischerweise in Deutschland der Fall ist.

Es gibt weitere Facetten des Lebens und Arbeitens in Deutschland, an die sich die beiden erst gewöhnen mussten. Leah, die bereits während ihrer Promotion in Deutschland war, nennt hier allen voran die Mentalität der Deutschen, die zunächst etwas verschlossener wirken als sie es von Kalifornier:innen gewohnt war. Dort ist es normal, auch Fremde nett anzulächeln und auf der Straße zu grüßen, was in München wohl eher für Verwunderung sorgen würde. „Die Freundlichkeit der Deutschen ist subtiler: man muss erst mit ihnen ins Gespräch kommen, um sie zu erleben,“ berichtet Leah. Hannah, seit acht Jahren in Deutschland, fiel direkt auf, dass der Umgang in Deutschland oftmals formeller abläuft: „Ob ich jemanden siezen oder duzen soll, das war anfangs schwer für mich zu verstehen,“ erinnert sie sich zurück. Auch aufwändige bürokratische Prozesse, mit denen beide immer wieder aufgrund erforderlicher Visumsverlängerungen in Kontakt kommen, unterscheiden sich von der Vorgehensweise in ihren Heimatländern. Doch Leah und Hannah sind sich einig: all das lässt sich mit Geduld und Verständnis, auch gegenüber sich selbst, leichter handhaben.

Ihnen hat auch geholfen, sich mit Gleichgesinnten, die ebenfalls aus anderen Ländern nach Deutschland gezogen sind, auszutauschen: „Es verbindet einfach, wenn man auf ähnliche Probleme und Herausforderungen stößt, die meine in Deutschland geborenen Freundinnen und Freunde nicht in der gleichen Art nachvollziehen können,“ beschreibt Hannah ihre Freundschaften zu anderen international Zugezogenen. Gleichermaßen betont Leah die Wichtigkeit des Kontakts zu Deutschen: „Wo kaufe ich eine Skihose für meine Kinder? Das habe ich mich anfangs gefragt, denn in Kalifornien brauchen wir so etwas natürlich nicht. Ich war deshalb sehr dankbar für den Kontakt mit einheimischen Eltern.“

Manchmal vermissen sowohl Hannah als auch Leah ihre Heimat – besonders stark ist dieses Gefühl nach einem längeren Urlaub in den USA bzw. Kanada. In naher Zukunft zurück in ihr jeweiliges Heimatland ziehen wollen die beiden aber nicht – dafür fühlen sie sich in Deutschland zu wohl.