Im Fokus: Elektronische Eignungsfeststellungsverfahren mit digitalen Prüfungen

Die richtige Passung ist in vielen Bereichen des Lebens wichtig – insbesondere die Wahl des Studiengangs will überlegt sein. Gute Eignungsfeststellungsverfahren können Studierenden dabei helfen, ihre Kompetenzen mit den Anforderungen des angestrebten Studiengangs abzugleichen. Auch Lehrende begrüßen es, wenn das Wissen der Studierenden mit den Anforderungen des jeweiligen Studiums im Einklang ist, da so die Qualität des Studiums steigt.

Dass transparent und fair gestaltete Eignungsfeststellungsverfahren sinnvoll sind, steht außer Frage. Klar ist jedoch auch, dass diese einen enormen Aufwand für damit betraute Studiengangsverantwortliche bedeuten. Die Verfahren laufen bislang meist in einem mehrstufigen Prozess ab:
In Stufe eins werden zunächst die eingereichten Unterlagen der Studieninteressierten gesichtet, woraufhin ein standardisierter Score vergeben wird. „Insbesondere für Bewerber:innen aus Staaten, die nicht in der Lissabon-Konvention berücksichtigt sind und deren Studienqualifikationen nicht im Regelfall anerkannt werden, ist die Bewertung schwierig und stellt häufig einen enormen Zeitaufwand dar,“ erklärt Dr. Matthias Baume, der bei ProLehre für die Unterstützung digitaler Eignungsprüfungen verantwortlich ist. Auch in stark nachgefragten Studiengängen, für die sich teilweise tausende Menschen interessieren, potenziert sich die Anzahl an zu sichtenden Unterlagen schnell. In einem nächsten Schritt werden dann Interviews geführt, was wiederum einen enormen zeitlichen Aufwand mit sich bringt.

Eignungsprüfungen sorgen hier für eine Erleichterung. Diese können entweder bereits vor der ersten Stufe, in der die Bewerbungsunterlagen gesichtet werden, durchgeführt werden – die ökonomischste Variante, da die Barriere schon sehr früh gesetzt wird. Vor allem besonders stark nachgefragte Studiengänge können hier profitieren. Selbst, wenn Eignungsprüfungen erst in der zweiten Stufe durchgeführt werden, nachdem Zeugnisse gesichtet wurden, sind sie zeitsparender als die darauf normalerweise folgenden Einzelinterviews.

Doch wie können Eignungsprüfungen als Teil des Eignungsfeststellungsverfahrens noch weiter optimiert und skalierbarer gemacht werden? Dieser Frage hat sich Eva Dörfler gewidmet, die als Moodle-Verantwortliche ebenfalls Mitarbeiterin des Educational Technology Teams bei ProLehre ist: „Die Antwort lautet ganz klar: Digitalisierung. Insbesondere weil viele Studieninteressierte nicht vor Ort in München sind, gibt man ihnen mit digitalisierten Prüfungen die Chance, auch ohne längere und kostenintensive Anreise ihre Kompetenzen ortsunabhängig unter Beweis zu stellen.“

Digitale Prüfungen, die Bewerber:innen zuhause durchführen, können besonders effektiv sein, wenn sie beaufsichtigt werden. So kann sichergestellt werden, dass auch wirklich die echten Bewerber:innen vor dem Rechner sitzen, um die Prüfung zu absolvieren oder zusätzlich elektronische Hilfsmittel wie Suchmaschinen oder die neue künstliche Intelligenz ChatGPT zu Rate gezogen werden. Insbesondere klassisch konzipierte unbeaufsichtigte Prüfungen sind in dieser Hinsicht seit Aufkommen des Chatbots mit künstlicher Intelligenz, der ganze Aufgaben meist zufriedenstellend lösen kann, in vielen Fachbereichen nur noch schwer zu vertreten. 

Doch wie lässt sich eine Beaufsichtigung über die Distanz hinweg ermöglichen? „Aus Datenschutzgründen ist es immer vorteilhaft, eine Prüfung durch Menschen beaufsichtigen zu lassen. Das geht auch über die Distanz, beispielsweise mit der Konferenz-Software Zoom,“ antwortet Dr. Matthias Baume aus dem Educational Technology Team. Hier werden keine Aufzeichnungen vorgenommen und auch keine sensiblen Daten gespeichert. Doch auch bei Zoom-Prüfungen steht man schnell vor dem Problem der eingeschränkten Skalierbarkeit, da man für Kohorten von 100 Prüflingen bis zu 20 geschulte Aufsichtspersonen benötigt – ein enormer Vorbereitungs- und Personalaufwand.

Eine Lösung - besonders für sehr große Kohorten - bieten integrierte Tools wie Proctorio, eine Software zur automatisierten Prüfungsaufsicht. Prüflinge installieren diese als Browser-Plugin auf ihrem Endgerät. Die Software unterstützt dann direkt im Prüfungsablauf die Authentifizierung und Beaufsichtigung während der Prüfung. Die Prüflinge verifizieren sich zu Beginn der Prüfung, indem sie ihren Ausweis in die Kamera halten, zusätzlich wird auch ein Bild des Gesichts zum späteren Abgleich erstellt. Während der Prüfung wird der Rechner des Prüflings abgesichert und zusätzlich erkennt die Software, wenn die zu prüfende Person länger wegschaut – etwa, weil sie Notizen von einem Spickzettel ablesen will. Sie kontrolliert zudem über das aktivierte Mikrofon, ob Gespräche stattfinden und nimmt wahr, wenn sich mehrere Menschen vor der Kamera befinden, wodurch eine gemeinschaftlich gelöste Prüfung verhindert werden soll. Auch das Schließen des Vollbildmodus, beispielsweise um eine Lösung zu googlen, erfasst die Software. Proctorio greift in solchen Fällen nicht aktiv in den Prüfungsverlauf ein, sondern markiert die relevanten Zeitabschnitte als Verdachtsmoment in der gespeicherten Aufzeichnung. Besonders diese Aufzeichnungen werden jedoch von einigen Betroffenen aus Datenschutzgründen sehr kritisch wahrgenommen, da sie personenbezogene Daten enthält, die zunächst – wenn auch meist nur kurz – über die Prüfung hinaus erhalten bleiben. Deshalb stehen zwei unabhängige Prüfungsberechtige in der Pflicht, zeitnah potenzielle Verdachtsmomente zu begutachten und im Prüfungsprotokoll schriftlich zu vermerken. Anschließend muss die Aufzeichnung gelöscht werden. Auch die Tatsache, dass besonders schützenswerte Daten wie die ethnische Herkunft und das Gesichtsbild zunächst erfasst und dann temporär gespeichert werden, stößt bei Datenschützer:innen und Betroffenen auf Kritik. Eva Dörfler ergänzt: „Oftmals werden auch Bedenken geäußert, wenn Prüflinge verpflichtet werden, eine fremde Software auf ihrem Endgerät zu installieren. Im Fall von Proctorio handelt es sich um ein Browser-Add-on, das direkt nach der Prüfung wieder problemlos entfernt werden kann.“ Als Alternative haben Bewerber:innen bei digitalen beaufsichtigten Prüfungen immer die Möglichkeit, im Hörsaal mit eigenem Gerät oder Leihgerät ohne Zoom bzw. Proctorio (und damit ohne jegliche Zusatzinstallation) die Prüfung auf dem Rechner mit einer herkömmlichen Aufsicht vor Ort durchzuführen.

Im Gespräch mit den beiden Expert:innen wird deutlich, dass es kein perfektes Verfahren gibt – Skalierbarkeit geht zu Lasten des Datenschutzes und umgekehrt. Nichtsdestotrotz nimmt die TUM in Bezug auf digitale Eignungsprüfungen eine Vorreiterrolle ein: Während die meisten anderen Universitäten mit hohem Aufwand eine große Anzahl an Interviews abwickeln müssen oder unbeaufsichtigte Eignungsprüfungen durchführen, ist es unserer Universität ein Anliegen, online-beaufsichtige Prüfungen zukünftig stärker zu etablieren, da dieses Verfahren ressourcenschonender abläuft und seine Aussagekraft aufgrund des verhinderten Unterschleifs im Vergleich zu unbeaufsichtigten Varianten deutlich höher ist.

Es gibt Argumente sowohl für die Nutzung von Zoom als auch von Proctorio – im Vordergrund steht aber vielmehr, dass Eignungsprüfungen fair und transparent stattfinden und die ortsunabhängige Teilhabe ermöglichen. Das steht an der TUM, unabhängig vom gewählten Verfahren, außer Frage.