Im Fokus: Labordidaktik - Kompetenzorientierung am Mikroskop

Pipettieren, Mikroskopieren, Abwiegen – Labortätigkeiten, die zum Alltag vieler Studierender und Mitarbeitender der TU München mit ihrem technisch-naturwissenschaftlichem Schwerpunkt gehören. Denkt man an Labore, wird bei den Meisten wohl eine Assoziation zum Thema Forschung geweckt. Doch Labore spielen ebenso als Lehr- Lernumgebung eine wichtige Rolle: Lehrende, die Laborpraktika betreuen, haben bereits ab dem frühen Bachelorstudium ihrer Studierenden die Chance, diese zu interessierten Nachwuchswissenschaftler:innen auszubilden. Wie genau ein Laborpraktikum didaktisch aufbereitet werden sollte, haben jedoch die Wenigsten von ihnen jemals gelernt. Das liegt auch daran, dass das Thema in der Literatur wenig Beachtung findet.

„Es ist fast schon paradox: Um das Arbeiten im Labor kommt niemand, der eine Naturwissenschaft studiert, herum. Trotzdem ist wenig erforscht, wie man Laborpraktika didaktisch sinnvoll aufbereitet,“ berichtet Denis Sedlmeier, der als Experte für Labordidaktik bei ProLehre arbeitet. Er studierte naturwissenschaftliche Bildung mit den Fächern Mathematik und Chemie an der TU München und arbeitete neben dem Studium selbst als Lehrbeauftragter im Fachbereich Chemie für die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Sedlmeier beschreibt weiter: „Es ist mittelfristig absolut sinnvoll, schon Erstsemesterstudierende in ihren Grundlagenpraktika im Labor didaktisch klug anzuleiten – so kann man sie für das Arbeiten im Labor begeistern und perspektivisch motivierte Nachwuchswissenschaftler:innen anlernen.“

Die Vorgehensweisen klassischer Laborpraktika sind meist klar definiert. Wie in einem Kochrezept bekommen Studierende genaue Anweisungen, was untersucht werden soll, welche Materialien man dazu braucht und wie der Versuch aufgebaut und durchgeführt wird. Im Anschluss an den Labortag wird von den Studierenden gefordert, Protokolle über das Beobachtete zu schreiben. Der Lernfortschritt kann hier schnell stagnieren, denn spätestens nach dem fünften protokollierten Versuch haben die meisten das Konzept verstanden. Man könnte das als eine vertane Entwicklungschance werten, weil das eigenständige Denken nicht angeregt, sondern nur reproduzierbare Fertigkeiten gelehrt werden.

Denis Sedlmeier plädiert deshalb dafür, in der Labor-Lehre mutiger zu werden: „Warum Laborpraktika nicht kompetenzorientierter aufbauen?“ Er sieht das Labor als Lehr-Lernumgebung, in dem nicht nur Wissen und Fertigkeiten aufgebaut, sondern reflektierte Kompetenzen entwickelt werden sollten. Die Realisierung eines solchen kompetenzorientierten Praktikums beinhaltet die Planung anhand der Taxonomiestufen wissen, verstehen, anwenden, analysieren, beurteilen und kreieren.
Praktisch bedeutet das für die Leiterin des Praktikums dann, dass sie es Studierenden ermöglicht, sich in Kleingruppen zusammenzufinden, damit diese frei gewählte Untersuchungsdesigns eigenverantwortlich entwerfen und planen können. Probleme, auf die in der Experimentalphase gestoßen werden, reflektieren Studierende eigenständig und passen nach gemeinschaftlichen Diskussionen und dem Feedback der Mitstudierenden ihr Vorgehen ggf. an. Eine anschließende Ergebnispräsentation findet in Form eines wissenschaftlichen Artikels oder einer mündlichen Präsentation mit Diskussion anstelle des bislang üblichen Protokolls statt. Der Leiterin des Praktikums wird, je nach Studienfortschritt der Teilnehmenden, in diesem didaktischen Konzept die Aufgabe zuteil, den Lernprozess zu unterstützen: Sie agiert als wissenschaftliches Vorbild, das u.a. die Rahmenstruktur vorgibt, die Diskussionsphasen moderiert oder bei Fehlern und Gefahr eingreift.
Neben einer solchen didaktischen Aufbereitung eines Laborpraktikums kann auch das Einbinden digitaler Tools zu einer Modernisierung der Lehre führen. Dass für solche Neukonzeptionen von Labor-Lehre allerdings meist die zeitlichen Ressourcen fehlen und das klassische Curriculum kaum Spielräume lässt, ist kein Geheimnis.

Trotzdem gab es in den vergangenen Jahren Fortschritte in Bezug auf die Lehre im Labor, denn auch hier hat die Coronapandemie zu einem Digitalisierungsschub geführt. So werden Experimentaufbau und Simulationen oftmals schon im virtuellen Raum erprobt, sodass Studierenden und Lehrenden zielgerichtet vorbereitet werden. Später im analogen Labor bleibt dann mehr Zeit für wesentliche Fragen, was Raum für eine intensivere Lernerfahrung lässt. Auch Fehler und Unfälle lassen sich so eher vermeiden. Die Digitalisierung schafft außerdem die Möglichkeit, auf Gerätschaften zuzugreifen, die im eigenen Labor nicht oder nur einzeln vorhanden sind. Diese „Remote Labs“ geben dadurch mehr Studierenden und Forschenden die Möglichkeit, parallel zu arbeiten.
Augmented Reality wiederum eröffnet die Möglichkeit, beispielsweise mit speziellen Brillen in Laborsituationen einzutauchen, wobei es sich hier zum jetzigen Zeitpunkt meist um vereinzelte Leuchtturmprojekte handelt.

Auch wenn die Rahmenbedingungen eine Reformation der Lehre im Labor nicht vereinfachen, kann es sich für Dozierende mittel- bis langfristig lohnen, ihre Praktikumsgestaltung neu zu denken. Wenn Sie gemeinsam mit uns neue Konzepte entwickeln wollen, wie Ihre Studierenden am Mikroskop oder der Pipette kompetenzorientiert lernen, scheuen Sie sich nicht, unseren Experten für Labordidaktik Denis Sedlmeier direkt zu kontaktieren!