Im Fokus: Lernräume der Zukunft

Welch wichtigen Einfluss die Umgebung auf das Lernen hat, wird schon im Kleinen sichtbar, wenn man versucht, sich in einem überhitzten Raum voller Störgeräusche zu konzentrieren. Was zunächst als Privatproblem von Studierenden erscheinen mag, muss größer gedacht werden. Denn die Lehr- und Lernräume an den Universitäten bestimmen mit, wie und wie gut gelehrt und gelernt werden kann. Daher wollen wir uns heute der Didaktik des Raumes widmen und aufzeigen, wie sich die Anforderungen an moderne Lehrräume gerade wandeln – und wie unsere Hochschule versucht, dem Rechnung zu tragen.

Die Anforderungen an Lehr- und Lernräume haben sich in den letzten Jahrzenten immer mehr gewandelt. Als nach den Onlinesemestern 2020 und 2021 die Hochschullehre wieder langsam an den Campus zurückkehrte, wurde deutlich, dass die bestehenden Lehr- und Lernräume den Anforderungen der sich entwickelnden neuen Lehrformen nicht immer gerecht werden. Um das Potential digital unterstützter Hochschullehre tatsächlich ausschöpfen zu können, müssen die bestehenden Lehr- und Lernräume weiterentwickelt werden.

Zum einen eröffnet Hybrid Learning die Möglichkeit, Studierende und Gastdozierende aus der ganzen Welt hinzuzuschalten. Dies ermöglicht neben standortübergreifenden Lehrformate auch ganz neue, spannende Zusammenarbeiten in der Lehre mit anderen Universitäten wie wir sie z.B. gerade im europäischen Verbund der EuroteQ Engineering University pilotieren. Um hybride Lehre zu unterstützen, wurde mittlerweile ein Drittel aller Hörsäle mit einer von ProLehre und der Hörsaaltechnik gemeinsam entworfenen Aufzeichnungs- und Streamingtechnik ausgestattet. „Dank unserer mobilen Kofferlösung ist es darüber hinaus auch in den anderen Hörsälen und Seminarräumen möglich, Lehre aufzuzeichnen und zu streamen,“ erklärt Constantin von Thielmann, der dieses mobile Aufzeichnungsset, das beispielswiese aus Webcams und Funkmikrofonen besteht, mitentwickelt hat.

Zum anderen ermöglicht Blended Learning, in der Präsenzlehre stärker auf aktives Lernen zu setzen – das stärkt insbesondere das Tiefenlernen bei den Studierenden. Doch die klassischen Hörsäle sind meist noch auf rein frontale Lehrformate ausgerichtet. Deshalb gilt es, Universitätsgebäude architektonisch an diese neuen Lehrformen anzupassen. Damit befassen sich Andreas Hild und sein Team. Er hat die Professur für Entwerfen, Umbau und Denkmalpflege an der TUM inne. Dort beschäftigt er sich damit, wie klassische Hörsäle für zukünftige Lehranforderungen umgebaut werden können. Im Masterseminar „Halls to Hubs“ haben seine Architekturstudierenden verschiedene Bestandsräume am Innenstadtcampus analysiert und Ideen entwickelt, wie diese Räume den neuen Ansprüchen an Lehren und Lernen gerecht werden könnten. „Wichtig ist uns, auch im Sinne der Nachhaltigkeit, aufwendige Umbauarbeiten weitestgehend zu vermeiden. Wir haben festgestellt, dass mit Kreativität und Ideenreichtum auch Bestehendes visionär umfunktioniert werden kann,“ betont Hild. Herausgekommen sind spannende Entwürfe, die beispielsweise vorsehen, Plateaus in die bestehende Hörsaalneigung einzufügen. So wird Fläche geschaffen, die ein flexibleres Arbeiten auch in Gruppen ermöglicht. Doch auch über umfangreichere Maßnahmen haben sich die Architekt:innen Gedanken gemacht. „Hörsäle künftig nicht mehr frontal anzulegen, sondern einen Raum zu schaffen, in dem sich die Beteiligten gegenübersitzen, ist eine unserer Visionen,“ erzählt Hild. Dadurch entstünden Räume mit höherer Dynamik zwischen Studierenden und Lehrenden.

Dass es hierbei auf ein interdisziplinäres Zusammenspiel ankommt, das Expert:innen verschiedener Fachdisziplinen einbezieht, stellt auch Andreas Fleischmann, Leiter von ProLehre, fest: „Wir als Didaktiker:innen merken immer wieder, dass gewissen Lehrmethoden – beispielsweise Gruppenarbeiten und Brainstorming – aufgrund räumlicher Begebenheiten an ihre Grenzen stoßen. Ich bin deshalb sehr dankbar für die kreativen Ideen aus der Architektur, die alte, auf starren Tischreihen und riesigen Hörsälen basierende Konzepte moderner denken.“

Nicht nur die Hörsäle werden betrachtet. Auch die Anzahl der studentischen Lernräume konnte in den vergangenen Jahren erhöht werden. Zum einen in den neuen Studierendenhäusern, aber auch in den Räumen der Universitätsbibliothek, die neben Einzel- und Gruppenräumen auch eine Auslastungsanzeige für die Arbeitsplätze an den verschiedenen Standorten bietet. Ein Pilotprojekt der studentischen Vertretung erschließt zudem viele weitere Lernräume mithilfe der App „Iris“.

Viele Seiten profitieren davon, wenn Rahmenbedingungen für eine Lernstätte und Arbeitsumgebung geschaffen werden, die an den Wandel der Zeit angepasst sind. Hier weiterzudenken und Konzepte umzusetzen, in denen technische Ausstattungsbedarfe mit architektonischen Planungen und didaktischen Erkenntnissen Hand in Hand gehen, ist eine Aufgabe, die viele Beteiligte weiterhin beschäftigen wird, sich aber immer lohnt.

Wenn Sie Anregungen für eine gute Lehrraumgestaltung haben, wenden Sie sich gerne an uns, wir bündeln diese Ideen und bringen sie in die entsprechenden Gremien ein.